Wer mich kennt oder hier schon eine Weile mitliest weiß, wie hoch mein Herz für den Südwesten der USA schlägt. Leider trennen mich und meinen absoluten Happy-Place rund 9.000km und ein nahezu endlos weiter Ozean. Und genau da sind wir auch schon mitten im Thema, denn: In die Ferne kommen wir oftmals eben nur mit dem Flugzeug. Während ich mich im Alltag vegan ernähre, auf Fast Fashion verzichte, öfter mit dem Rad als mit dem Auto fahre und versuche, möglichst nachhaltig zu leben, kann ich mich vom Fliegen – einer der Klimasünden schlechthin – nicht konsequent verabschieden. Und so befinde ich mich in einem Konflikt zwischen meiner Leidenschaft und meinen Werten und frage mich: Kann ich mein Fernweh stillen und trotzdem Rücksicht auf die Umwelt nehmen? Wie lassen sich Fern- und Flugreisen nachhaltiger gestalten?
Flugreisen und Nachhaltigkeit: Meine Gedanken und inneren Konflikte
Eines Vorweg: Reisen und ganz besonders Fern- und Flugreisen sind per se nicht nachhaltig oder gar umweltfreundlich. Zumindest wenn man den damit verbundenen ökologischen Fußabdruck betrachtet. Dieser Artikel soll daher keinesfalls den Eindruck erwecken, es gäbe einen einfachen Guide, 5-Schritte-Plan oder eine Hand voll smarter Tipps, die aus unserem nächsten Urlaub einen klimafreundlichen Akt machen.
Genauso wenig geht es mir darum, das schlechte Gewissen, das sich beim Betreten eines Flugzeuges unweigerlich einstellt, einfach beiseite zu schieben oder zu relativieren. Flight shame und das ökologische Bewusstsein, dass Fliegen – so schnell, bequem und kostengünstig es sein mag – wann immer es geht vermieden werden sollte, sind essentiell, um einen Wandel unserer Reisegewohnheiten zu bewegen.
Vielmehr möchte ich hier der Frage nachgehen, ob und wie sich Fern- und Flugreisen bewusster und damit bestenfalls auch nachhaltiger gestalten lassen. Gibt es konkrete Dinge und effektive Handlungen, die unsere Fernreisen umweltfreundlicher machen oder mit denen wir unseren ökologischen Fußabdruck zumindest verringern können?
KÖNNEN WIR WIRKLICH AUF DAS FLIEGEN VERZICHTEN?
Denn eine weitere Wahrheit über das Fliegen dürfte sein, dass die wenigsten von uns vollständig und konsequent darauf verzichten werden. Zu groß ist unser Fernweh, zu viel gibt es auf dieser Welt zu entdecken und zu unbegrenzt sind die Möglichkeiten. Zudem ist für viele von uns Reisen oftmals deutlich mehr als Urlaub: Wir besuchen Freund:innen, Familie oder Kolleg:innen, die eben nicht mehr zwangsläufig nur ein paar Autostunden entfernt, sondern auf der ganzen Welt verteilt sind.
NACHHALTIG REISEN – EIN WIDERSPRUCH?
Wie bereits erwähnt, ist das Reisen an sich keine umweltfreundliche Angelegenheit. Betrachtet man vor allem die ökologischen Konsequenzen, also die Auswirkungen unserer Reiselust auf die Natur, wäre es tatsächlich wohl am Besten, wir blieben alle Zuhause. Nachhaltigkeit hat neben der ökologischen aber auch eine soziale sowie eine wirtschaftliche Komponente.
Durch das Reisen lernen wir andere Menschen, Kulturen, Landschaften und Ökosysteme kennen. Je nachdem wie wir sie gestalten, können unsere Reisen uns bilden. Im besten Fall erweitern wir nicht nur unseren Horizont, sondern gewinnen Verständnis für andere Lebensweisen, üben uns in Toleranz und schaffen es, Vorurteile über das Fremde abzubauen.
Reisen wir also mit größtmöglicher Rücksicht auf unsere Umwelt und vor allem mit Respekt vor den Menschen, Kulturen und Lebensräumen, die wir besuchen, ist es meiner Meinung nach grundsätzlich schon möglich, nachhaltig die Welt zu erkunden.
Tipps und Anregungen: Wie kann ich bewusster in die Ferne reisen?
Da auch ich mich also von Fern- und Flugreisen nicht verabschieden kann und zugegeben auch nicht will, möchte ich hier einen Blick auf die Dinge werfen, die wir tun können, um bewusster und bestenfalls umweltfreundlicher unterwegs zu sein.
1. SELTENER FLIEGEN & LÄNGERE AUFENTHALTE
Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Auch wenn die Fahrpreise ein durchaus irreführendes Bild zeichnen – für unsere Umwelt macht es eben schon einen großen Unterschied, ob wir in den Zug oder ein Flugzeug steigen.
Wenn wir uns schon nicht endgültig vom Fliegen abwenden können (oder wollen), sollten wir zumindest versuchen, uns seltener und nur wenn nicht anders möglich, für das Flugzeug zu entscheiden. Kurzstreckenflüge oder Jetset-Wochenendtrips in nah und fern gelegene Reiseziele sollten beim nachhaltigen Reisen zweifelsohne der Vergangenheit angehören.
Ein guter Kompromiss, gerade was Fernreisen angeht, ist für mich, die Frequenz meiner einzelnen Flüge zu verringern und den Aufenthalt am Zielort zu verlängern. Statt zweimal im Jahr für ein bis zwei Wochen in die USA zu fliegen, plane ich lieber längere Aufenthalte, dafür aber eben nicht so häufig.
Ortsunabhängiges Arbeiten und flexible Arbeitszeiten erleichtern diese Art der Reiseplanung natürlich ungemein und sind nicht für jede:n gleichermaßen umsetzbar. Dennoch denke ich, dass dieser Slow-Travel-Ansatz im Sinne der Nachhaltigkeit ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich bin mir sicher, mit der sich immer weiter wandelnden Arbeitswelt wird diese Form des Reisens in Zukunft bestimmt für immer mehr Menschen umsetzbar sein.
2. FLUGREISEN KOMPENSIEREN UND AKTIV IN DEN KLIMASCHUTZ INVESTIEREN
Fliegen belastet die Umwelt mit Schadstoffen und Lärm. Auf meiner letzten Flugreise von Frankfurt nach Los Angeles (und wieder zurück) habe ich rund fünf Tonnen CO2 ausgestoßen. Zum Vergleich: Das klimaverträgliche Jahresbudget freigesetzter CO2-Emissionen eines Menschen beträgt lediglich 1,5 Tonnen.
Plattformen wie Atmosfair, eine gemeinnützige Klimaschutzorganisation, ermöglichen es Reisenden, ihre Flüge zu kompensieren und damit ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Abhängig von der Menge der ausgestoßenen Emissionen errechnet Atmosfair einen sogenannten Klimaschutzbeitrag. Im oben beschriebenen Fall beträgt dieser 111€. Diese Spende kommt Klimaschutzprojekten, beispielsweise zum Ausbau erneuerbarer Energien, zu Gute.
Kritiker:innen sprechen gerne von einem Ablasshandel, der lediglich das schlechte Gewissen beruhigen soll. Ich sehe das anders. Natürlich soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Kompensation der Flüge die Umweltbelastung vollkommen ausgleicht. Vielmehr schafft es ein Bewusstsein für die Auswirkungen und Konsequenzen unserer Fliegerei auf Umwelt und Natur. Mein schlechtes Gewissen fliegt definitiv weiterhin mit und das ist auch gut so.
3. FLIEGEN IST NICHT GLEICH FLIEGEN
Es gibt unterschiedliche Faktoren, die beeinflussen, wie viele Emissionen ich mit meinem Flug tatsächlich ausstoße. Möchte ich meine Flugreisen nachhaltiger gestalten, lohnt es sich diese vor der nächsten Buchung genauer in den Blick zu nehmen:
Auch Fluggesellschaften haben ein Interesse daran, ihre Umweltbilanz zum Beispiel durch den Einsatz von Biotreibstoffen zu verbessern. Einigen gelingt dies bereits besser als anderen. Eine kurze, aktuelle Recherche vor der Urlaubsplanung kann hier die Wahl der Airline erleichtern.
Natürlich entscheidet bei der Buchung unserer Flüge auch der Preis. Direktflüge sind oftmals zwar teurer, dafür aber auch umweltschonender. Der Grund dafür ist zum einen die meist kürzere Flugstrecke. Hinzu kommt aber auch, dass vor allem der Abflug, in Relation zum gesamten Flug, sehr große Mengen an Treibstoff verbraucht.
Um möglichst energieeffizient und damit umweltschonender zu fliegen, kann auch die Menge des Gepäcks und die Wahl des Sitzplatzes unterschiedliche Auswirkungen haben.
Für unser Reisegepäck bedeutet das: je leichter desto besser. Um unsere Flugreise nachhaltiger zu gestalten, hilft es außerdem, in der Economy statt Business- oder First-Class Platz zu nehmen. Hier fliegen weitaus mehr Menschen auf kleinerem Raum und verbrauchen so deutlich weniger Energie und produzieren zudem weniger Müll.
4. NACHHALTIGER KONSUMIEREN
Was für unseren Alltag daheim gilt, ist auch für unseren Aufenthalt in der Ferne entscheidend, wenn wir Fern- und Flugreisen nachhaltiger gestalten wollen. Auch auf unseren Reisen sollten wir also möglichst umweltschonend konsumieren.
Wir alle kennen die Bilder von Müll übersäten Stränden. Längst wissen wir, dass unsere Meere am Plastikmüll regelrecht ersticken. Der Tourismus trägt leider seinen Teil dazu bei, denn er produziert jede Menge Abfall. Aus diesem Grund sollten wir wo immer möglich auf Einwegplastik verzichten. Einige Tipps und umweltfreundliche Produkte, die in deinem Koffer nicht fehlen dürfen, findest du in diesem Blogartikel.
Möchten wir nachhaltiger Reisen, müssen wir auch darauf achten, was und wie wir essen. Eine pflanzenbasierte Ernährung reduziert unsere Treibhausgasemissionen um fast 50%. Im Sinne unserer Umwelt ist das wohl Grund genug, um zumindest im Urlaub auf Fleisch und andere tierische Produkte zu verzichten. Schließlich verbraucht der weltweite Fleischkonsum Unmengen Wasser, beansprucht rund 70% der Acker- und Anbauflächen zur Futtermittelherstellung und trägt zur immer weiter fortschreitenden Rodung des Regenwalds bei. Ganz zu schweigen vom unsäglichen Tierleid.
Du bist auf der Suche nach Souvenirs, planst vor Ort besondere Ausflüge und Aktivitäten, oder genießt es im Restaurant zu schlemmen? Achte darauf, dass dein Geld vor allem bei lokalen Anbieter:innen landet und du in regionale Produkte investierst. So triffst du bewusste Kaufentscheidungen, mit denen du die Menschen und die Wirtschaft vor Ort stärkst.
5. NACHHALTIGE UNTERKÜNFTE STATT BETTENBURG UND LUXUS-RESORT
Bei der Wahl unserer Unterkünfte suchen wir ebenfalls meist nach den besten Deals oder ganz besonderen Erlebnissen. Nicht immer sind diese Optionen aber auch sozial- und umweltverträglich. Wie bei den Fluganbietern, gibt es auch in Bezug auf die Unterkünfte solche, die sich den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit mehr (und erfolgreicher) widmen als andere.
Grundsätzlich gilt auch hier, vor allem regionale Anbieter:innen und Locals zu unterstützen. Nachdem ich viele, viele Jahre Unterkünfte gerne über AirBnB gebucht habe, probiere ich mittlerweile Abstand davon zu nehmen. Und wenn ich doch hier buche, versuche ich sehr bewusst nach nachhaltigen Kriterien auszuwählen. Denn auch wenn Ferienwohnungen oft eine bessere Ökobilanz aufweisen als Hotels, zerstören sie zunehmend die Wohnungsmärkte in den Urlaubsregionen.
Schau doch mal bei Good Travel oder Green Pearls vorbei. Hier findest du unzählige Unterkünfte, die nicht nur nachhaltig, sondern auch einzigartig sind – von innovativer Architektur, über regionale Bio-Küche, oder soziales Engagement vor Ort.
Und speziell für USA-Liebhaber:innen: Falls ihr Lust auf Slow-Travel-Erlebnisse und Urlaub unter Locals habt, seht euch unbedingt den Reiseanbieter Little America genauer an.
Flugreisen nachhaltiger gestalten – es ist kompliziert, aber nicht unmöglich
Der Umfang dieses Blogartikels verdeutlicht sehr gut, wie komplex das Thema Reisen, Fliegen und Nachhaltigkeit ist. Ich habe an dieser Stelle längst noch nicht auf alle Aspekte und vor allem Details eingehen können und bin mir sicher, es werden weitere Artikel zum Thema folgen. Dennoch haben meine Fragen und Recherchen zumindest für mich und meinen persönlichen Konflikt neue Perspektiven, Denkanstöße und Sichtweisen eröffnet.
Ist unser schlechtes Gewissen wirklich etwas Schlechtes bzw. etwas, das wir loswerden sollten? Tatsache ist: Fliegen ist und bleibt (zumindest vorerst) ein absoluter Klimakiller. Die Sichtweise, im Sinne der Nachhaltigkeit am besten nur noch Zuhause und in der nahen Umgebung zu verreisen, ist mir persönlich aber nicht nur zu einseitig, sondern auch realitätsfern.
Für die meisten von uns (mich eingeschlossen) ist es wohl sehr schwer umsetzbar, Flugreisen komplett zu streichen. Haben wir neben all unserer Reisefreude aber auch unser schlechtes Gewissen an Bord, so schärft das vielleicht auch unser Bewusstsein. Reisen, ob nah oder fern, ist eben nicht selbstverständlich und wir sollten hier, genau wie in unserem Alltag, auf unsere Umwelt bestmöglich acht geben.
Wir kommen jetzt und vor allem in Zukunft nicht drum herum, Verantwortung zu übernehmen. Begreifen wir das Reisen wieder als Privileg, nehmen Rücksicht auf unsere Umwelt und begegnen anderen Kulturen, Bräuchen und Lebenswelten mit Respekt, so können wir aber selbst Fernreisen nachhaltiger gestalten.
Weitere Quellen:
Umweltbundesamt – Umweltschonender Luftverkehr
Wunderbarer Artikel, liebe Ilka!
VOr allem die vielen Möglichkeiten, dass man sonst seine Antennen schärft für nachhaltigen Konsum – da gibt’s mehr als genug, was man tun kann.
Ich finde sogar, dass man noch einen Schritt weiter gehen könnte … und sein GESAMTES Verhalten (& Leben) „auf den Prüfstand“ stellen. Wenn da ein guter Mix herauskommt, der sich insgesamt stimmig anfühlt – wunderbar.
Das Thema ist komplex und es wird immer wichtiger, dass wir die Augen nicht verschließen.
Danke für dein Feedback, liebe Elwine. Ich finde auch, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich begriffen werden sollte. Das eigene Verhalten zu hinterfragen und bestenfalls auch anzupassen ist ein Prozess. Meist stellt man dabei ja früher oder später fest, dass vieles sowieso zusammenhängt. 🙂